man mit Verlusten

man mit Verlusten

Text und Foto: Jelka Plate
Es mutet sicherlich traurig an, Verlust zum Thema eines Textes in der Kategorie „so lebt ...“ zu machen. Es ist aber so, dass sehr viele der Orte, an denen ich in Städtisches Handeln involviert war, nicht mehr existieren.
Die Mission, ein 1997 in Hamburg gegründeter, von Wohnungslosen in Zusammenarbeit mit Künstler*innen selbstverwalteter Ort, musste bis zur Erschöpfung umziehen, weil die benachbarten Ladenbetreiber sich belästigt fühlten. Der Kaispeicher A, in dem wir 2002 mit ready2capture einen Sommer lang ein alternatives Informationszentrum zur Hamburger Hafen-City betrieben, beherbergt heute die Elbphilharmonie. Die Brachflächen des temporären Skulpturenparks Berlin_Zentrum auf dem ehemaligen Mauerstreifen in Berlin Kreuzberg wurden ab 2012 u.a. mit den Fellini Residencies versiegelt. Der Berliner Schlossplatz ist wieder ein Schlossplatz nachdem er vieles andere war und hätte werden können.
Verluste zeigten sich in vielen der Projekte, an denen ich beteiligt war, aber auch in den Biografien der Teilnehmenden. Verlust der Wohnung, Verlust der Arbeit, damit einhergehend Verlust an gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten. Verlust von identitätsstiftenden Fixpunkten als Folge von Transformationsprozessen oder Migration.
Städtisches Handeln, wie ich es verstehe, zielt u.a. auf die gemeinsame Gestaltung von Orten oder Aktionen an denen viele dieser Verluste einerseits als Ergebnis kapitalistischer Praxis lesbar werden, an denen aber gleichzeitig im gemeinsamen Tun alternative Handlungsmöglichkeiten zumindest temporär praktiziert werden können. Das unterscheidet meinen Bezug auf den Begriff des Verlustes von einer reaktionären Verwendung des Begriffes, in dem z.B. der Wiederaufbau eines Schlosses mit dem „Schließen einer Wunde im Stadtbild“ gerechtfertigt wird, in dem es also um das Reinstallieren eines vermeintlichen Status Quo von Stadt bzw. Gemeinschaft geht.
Ich möchte diese Verluste thematisieren, weil ich denke, dass es wichtig ist, sich klar zu machen mit welchen Belastungen man zu rechnen hat, wenn man sich auf Städtisches Handeln einlässt und weil ich noch viel mehr klarstellen möchte, dass ich es für einen der größten Verdienste von gelungener Urbaner Praxis halte, Kooperationen und Orte zu schaffen an denen man mit Verlusten nicht alleine bleibt, was mir in einer von Siegermentalitäten und -ästhetiken bestimmten Öffentlichkeit unverzichtbar scheint.

Der Text von Jelka Plate wurde ursprünglich für das „Glossar Urbane Praxis. Auf dem Weg zu einem Manifest“, hrgs. von Jochen Becker, Simon Sheikh und der nGbK Berlin geschrieben, das 2021 erschienen ist.

Das Foto zeigt das Modell „A very merry Unarchtitecture to You“ der mittlerweile bebauten Brache des Skulpturenpark_Berlin Zentrum. Es entstand aus Anlass der „Wunderland exhibition series“ 2009/2010.
Sa, 01/22/2022 - 10:41
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Sorge „Sorge“: meine Platte, meine Heimat,
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